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Mine, Mine, Mine! Zur neuen US Executive Order über Ressourcenabbau im Weltraum und dessen Rechtsnatur

In einem beeindruckenden Beispiel fragwürdiger Prioritäten könnte der US-amerikanische Präsident Donald Trump vor Kurzem die nächste Runde eines neuen Weltraumzeitalters eingeläutet haben. Auch wenn nicht „virale“ Nachrichten aktuell nur allzu leicht unter dem Radar bleiben, reichen die rechtlichen und politischen Implikationen der ‘Executive Order on Encouraging International Support for the Recovery and Use of Space Resources’ im wahrsten Sinne des Wortes weit darüber hinaus. Dieser Beitrag unternimmt eine Bewertung der Executive Order im Lichte neuester Entwicklungen im internationalen Weltraumrecht und beleuchtet ihr Potenzial für internationalen Fortschritt, aber auch die Gefahr von Ungleichheit und Konflikt, die sie mit sich bringt.

 

1. Der rechtliche Rahmen

Im Zusammenhang mit dem Abbau und der Nutzung von Ressourcen im All – dem Kernanliegen der Executive Order – sind zwei internationale Verträge relevant. Zum einen der sogenannte Weltraumvertrag (WRV) von 1967. Dessen Artikel I erklärt, dass die Nutzung und Erforschung des Weltraums gemeinsame Sache der gesamten Menschheit ist und ohne jede Diskriminierung zum Vorteil aller Staaten durchgeführt werden soll. Nicht weniger prominent schreibt Artikel II vor, dass der Weltraum keiner nationalen Aneignung unterliegt, weder in Form von Souveränitätsansprüchen, noch von Nutzung oder Okkupation oder mit sonstigen Mitteln.

Zum anderen ist grundsätzlich auch der sogenannte Mondvertrag (MV) von 1979 zu beachten. Dieser erheblich jüngere Vertrag (der WRV stammt noch von vor der Mondlandung) unterscheidet sich vom WRV in zwei wesentlichen Punkten. Erstens enthält der MV ein deutlich detaillierteres Regime den Abbau und die Nutzung von Weltraumressourcen betreffend. Die Vorschriften des WRV zu Freiheiten und Nichaneignung werden im MV wiederholt, aber dort in Artikel 11(1) erweitert um die Regel, dass „[d]er Mond und seine Naturschätze […] das gemeinsame Erbe der Menschheit“ seinen. In Artikel 11(3) MV wird sodann klargestellt, dass „[w]eder die Mondoberfläche noch der Monduntergrund noch ein Teil davon oder dort befindliche Naturschätze […] Eigentum eines Staates, einer internationalen zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisation, einer nationalen Organisation oder eines nichtstaatlichen Rechtsträgers oder einer natürlichen Person“ werden können.

Zweitens hat der MV wesentlich weniger Vertragsstaaten als der WRV. Einundneunzig Staaten weniger, um genau zu sein. Neben Frankreich und Indien, die den MV nicht ratifiziert haben, sind keine großen Raumfahrtnationen unter den 18 Vertragsparteien. Viele Beobachter*Innen und Forscher*Innen stellen eine Verbindung fest zwischen dem einschränkend spezifischen Wortlaut des MV und seiner Unbeliebtheit bei vielen (raumfahrenden) Nationen.

Aus den Unterschieden der beiden Rechtsregime resultiert eine lähmende Rechtsunsicherheit für Staaten und Private gleichermaßen, die ein echtes Hindernis für das extrem kostspielige Unterfangen des Weltraumbergbaus darstellt. Insbesondere bleibt unklar, was alles unter die Auffangklausel der nationalen Aneignung des Weltraums „mit sonstigen Mitteln“ in Artikel II WRV fällt und inwieweit diese Vorschrift, die auf den ersten Blick zunächst nur den Weltraum als solchen in den Blick zu nehmen scheint, auch auf Rohstoffe aus dem Weltraum anzuwenden ist. Private sind zwar nicht ohne Weiteres an diese völkerrechtlichen Vorschriften gebunden, doch auch sie werden ohne eine Garantie dafür, dass sie an den abgebauten Rohstoffen auch Eigentum erwerben und damit handeln oder sie anderweitig für sich nutzen dürfen, das Wagnis großer Investitionen in Technologien und Unternehmungen wohl kaum eingehen wollen. Schließlich ist ein Recht, das zwar von der Rechtsordnung des Heimatstaates dieser Unternehmen (vgl. beispielsweise Vorschriften aus den USA und Luxemburg), aber nicht von den Rechtsordnungen anderer Staaten und womöglich auch vom Völkerrecht anerkannt wird, im internationalen Handel nicht viel wert.

Doch auch, wenn sich im Orbit des extraterrestrischen Ressourcenabbaus eine erhebliche Rechtsunsicherheit befindet, gibt es auch einige Punkte im internationalen Weltraumrecht, über die wenig bis kein Zweifel besteht. Insbesondere liegt angesichts der historischen Umstände des Vertragsschlusses zum WRV (Kalter Krieg) und dem Fokus des WRV und des MV auf dem Vorteil aller Staaten und der Menschheit als ganzer eines auf der Hand: Das internationale Weltraumrecht verschließt den Weltraum vor dem einseitigen Zugriff derjenigen Akteure, die über die dafür nötigen technologischen und/oder finanziellen Kapazitäten verfügen. Das Weltraumrecht will Machtkämpfe über alle Teile des Weltraums verhindern. Folgerichtig wird die Rechtsnatur des Weltraums als res communis verstanden, also als ein globales Gemeinschaftsgut.

 

2. Die Neue Executive Order

Die neue Executive Order der USA scheint unter einem anderen Vorzeichen zu stehen. Sie ist zwar Grund für Hoffnung auf der einen, aber auch Grund für Skepsis auf der anderen Seite, je nachdem, ob man ihre Aussagen bezüglich des Ressourcenabbaus oder bezüglich des Weltraums als solchem in den Blick nimmt. Insoweit als der Abbau von Weltraumressourcen betroffen ist, folgt die Executive Order in den Fußstapfen des sogenannten ‘Space Resource Exploration and Utilization Act of 2015’, der US-Bürger*Innen erlaubt, erlangte Weltraumressourcen – „im Einklang mit geltendem Recht“ – zu besitzen, Eigentum daran zu haben, zu transportieren, benutzen und zu verkaufen (§ 51303). Dieses Gesetz, das noch unter der Obama-Administration verabschiedet wurde, rief seinerzeit ein erhebliches Maß an Gegenwind unter Weltraumrechtler*Innen und Staatenvertreter*Innen hervor, stach es doch sprichwörtlich in das Wespennest an Meinungen zur Rechtmäßigkeit des Weltraumressourcenabbaus unter Artikel II WRV.

Doch auch viele Weltraumrechtler*Innen sehen die Aneignung von Ressourcen (im Unterschied zu Grundstücksrechten im Weltraum) als rechtmäßig an. Das Argument, das sie ins Feld führen, bedient sich an einem Vergleich mit dem Recht der hohen See, also einem anderen Regime über ein globales Gemeinschaftsgut. Das Argument lautet, dass die Rechtsnatur einer res communis Akteuren nur verbiete, sich das Gemeinschaftsgut als solches oder Teile davon exklusiv anzueignen, aber nicht Rohstoffe aus diesem Gemeinschaftsgut („Owning the fish, not the sea“). Unabhängig davon, ob solche Analogien für den Fall des Weltraums zu überzeugen vermögen (immerhin war das Fischen auf hoher See schon jahrhundertelang gängige Praxis und auch früher oder später gewohnheitsrechtlich anerkannt, noch bevor das Seerecht geschaffen wurde, während noch keine Rohstoffe aus dem All extrahiert wurden) scheint es jedenfalls rechtlich nicht undenkbar zu sein, Eigentum an Rohstoffen aus einem Gemeinschaftsgut zuzulassen. Die Eigentumsbegründung an Dingen aus einem Gemeinschaftsgut ist ein Thema, das schon Genrationen von Denkern beschäftigt hat und auch vor Jahrhunderten schon als zulässig angesehen wurde (man denke etwa an die Theorien zur Eigentumsbegründung von John Locke oder Hugo Grotius).

Die gute Nachricht ist, dass die Weltraumpolitik der USA dieses Mal deutlich mehr Wert auf internationale Kooperation legt, als sie es noch mit ihrem legislativen Vorpreschen 2015 getan hatte. Laut der Executive Order ist der Außenminister damit betraut „angemessene Schritte einzuleiten, um internationale Zustimmung für die öffentliche und private Erschließung und Nutzung von Ressourcen im Weltraum“ zu gewinnen. Dieser Vorstoß ist darauf gerichtet, Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Da die technische Umsetzung wirtschaftlichen Weltraumressourcenabbaus näher rückt, würde das nicht in allen Teilen zeitgemäße internationale Weltraumrecht von einigen Updates sehr profitieren. Dies wäre ein wichtiger Schritt zu einer sicheren und vernünftigen Ausschöpfung des unermesslichen Potenzials des Weltraums für die gesamte Menschheit in wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und entwicklungsfördernder Hinsicht.

Gleichzeitig läutet de Executive Order aber auch Alarmglocken, wenn man den Fokus ein wenig verschiebt und ihre Einordnung des Weltraums als Ganzes ins Blickfeld rückt. Die Executive Order besagt ausdrücklich, wenn auch nur versteckt in einem Halbsatz, dass die USA den Weltraum nicht als globales Gemeinschaftsgut ansehen. Die Bestrebungen des Außenministers, internationale Unterstützung für die Positionen der USA einzuholen, beziehen sich ausweislich der Executive Order auch auf diesen Punkt. Die vorzunehmenden Bemühungen stehen nur unter dem Vorbehalt, dass sie „im Einklang mit geltendem Recht“ stehen sollen, was aktuell für die USA den Weltraumvertrag miteinschließt. Vor diesem Hintergrund wirft die kleine Aussage, der Weltraum sei kein globales Gemeinschaftsgut, eine große Frage auf: Was soll er dann sein?

Die völkerrechtliche Kategorie, die übrigbliebe, wäre die der terra bzw. res nullius, also eine Sache oder ein Land, das niemandem „gehört“. Dies hätte zur Konsequenz, dass sich jeder den Weltraum aneignen könnte, nach dem Motto „wer zuerst kommt, malt zuerst“. Es ist offensichtlich, warum das eine Position ist, die für die USA und die dort ansässigen potenten Weltraumunternehmen attraktiv ist. Genau so offensichtlich ist es jedoch, dass eine solche Position nicht mit der insgesamt sehr kooperativen und inklusiven Struktur des WRV und dem Sinn und Zweck hinter dem Aneignungsverbot in Artikel II WRV zu vereinbaren ist. Zwar lässt Artikel XV WRV zu, dass sich die Vertragsstaaten auf Ergänzungen zum Vertrag einigen dürfen und nach allgemeinem Völkervertragsrecht steht es Staaten grundsätzlich auch frei, Übereinkommen zur Auslegung oder Anwendung bestimmter Vertragsteile zu schließen. Ob solche Abkommen oder Ergänzungen, die den eigentlichen Sinn und Zweck des WRV auf Kosten des Rests der Menschheit völlig untergraben würden, in gutem Glauben und nicht rechtsmissbräuchlich oder widersprüchlich vereinbart werden können, erscheint allerdings in höchstem Maße fragwürdig. Insbesondere dann, wenn man sich der Meinung anschließt, wonach die Rechtsnatur eines Gemeinschaftsgutes den Abbau und die nachfolgende Aneignung und Nutzung von Ressourcen ohnehin nicht per se verbietet.

Abschließend lässt sich festhalten, dass Versuche, die bestehende Rechtsunsicherheit im Bereich des Weltraumbergbaus zu reduzieren generell sehr willkommen sind. Die übergeordnete Stoßrichtung der neuen US-Weltraumpolitik ist jedoch alarmierend. Während Ressourcenabbau im Weltraum machbar wird, ist es wichtig, dass Staaten in ihren Versuchen, eine vernünftige und gerechte Rechtslage zu schaffen, nicht den Status des Weltraums als res communis über Bord werfen. Gleichzeitig sind aber neue Ansätze vonnöten, um der vorherrschenden Rechtsunsicherheit, die menschlichem Fortschritt an der und durch die „Final Frontier“ im Weg steht, Einhalt zu gebieten. Es bleibt zu hoffen, dass der US-amerikanische Vorstoß – so egoistisch er auch sein mag – wenigstens eine längst überfällige Diskussion anstoßen wird, damit Konflikte über Ressourcen im Weltraum nicht eines Tages in militärische Konflikte umschlagen.

 

Maximilian Bertamini, Research Associate und Doktorand am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV)

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Englisch als BOFAX des IFHV auf voelkerrechtsblog.org: Maximilian Bertamini, “Mine, mine, mine! On the new US space resource policy and attitude towards outer space”, Völkerrechtsblog, 23 April 2020, doi: 10.17176/20200423-182240-0.

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